Nachhaltigkeit

"Das Potenzial in der Bauwirtschaft ist enorm"

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31. August 2021
Lesedauer: 5 Minuten

Staatssekretär Dr. Magnus Brunner über die Möglichkeiten der Bauwirtschaft, Nachhaltigkeit voranzubringen.

Herr Dr. Brunner, die Europäische Union will Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen und stellt dafür insgesamt rund 100 Milliarden Euro zur Verfügung. Wie wollen Sie den „Green Deal“ in Österreich zum Leben erwecken?

 

DR. BRUNNER: Investitionen in Klimaschutz und erneuerbare Energien sind eine Riesenchance für die Wirtschaft und den Standort. Das soll auch beim „Green Deal“ der Fall sein. Auch verbunden mit dem allgemeinen Hochfahren der Wirtschaft nach den tiefgreifenden Einschnitten, die die Corona-Pandemie und die Wirtschaftskrise in den vergangenen Monaten gebracht haben. In Österreich sind wir in Sachen Klima- und Umweltschutz bereits sehr gut aufgestellt und verfolgen sogar ambitioniertere Ziele als auf europäischer Ebene. Das heißt aber nicht, dass wir uns ausruhen dürfen – ganz im Gegenteil: Wir wollen zehn Jahre vor der EU klimaneutral sein, also schon 2040. Und bereits 2030 soll es hierzulande bilanziell zu 100 % erneuerbaren Strom geben. Damit sind wir in Europa Vorreiter.

 

Wie wollen Sie das erreichen?

 

DR. BRUNNER: Wir haben, unabhängig von den Plänen der EU, unterschiedlichste Maßnahmen dafür gesetzt. Dabei setzen wir stark auf Investitionen, um die Wirtschaft in den Regionen zu unterstützen. Beispielsweise mit der Investitionsprämie, durch die Investitionen im Digitalisierungs- und Ökologisierungsbereich besonders gefördert werden. So forcieren wir Investitionen in zukunftsfähige, umwelt- und ressourcenschonende Technologien mit 14 %, für andere gibt es 7 %, klimaschädliche Aufwendungen bekommen dagegen gar keinen Zuschuss. Der Erfolg gibt uns recht: Wir hatten ursprünglich eine Milliarde Euro für die Prämie zur Verfügung gestellt, nur wenige Wochen später war diese Summe bereits abgerufen und wurde verdoppelt. Jede dritte Investition wurde im Bereich der Ökologisierung beantragt. Daher führen wir dieses Programm auch gerne fort. Ein weiteres Beispiel ist das Erneuerbaren- Ausbau-Gesetz, das wir jetzt vorgestellt haben. Darin sind maßgeschneiderte Förderlösungen für die unterschiedlichen Technologien vorgesehen. Auch Wasserstoffanlagen werden hier berücksichtigt. Denn Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein für die Energiewende und hat das Potenzial, das Energiesystem zu revolutionieren.

 

Welchen Beitrag kann oder soll die heimische Bauwirtschaft leisten?

 

DR. BRUNNER: Jeder und jede kann einen Beitrag leisten. Für die Bauwirtschaft besonders interessant sind natürlich Maßnahmen in Bezug auf die thermische Sanierung. Denn die Reduktion des Energieverbrauchs in Bestandsgebäuden ist ein ganz wichtiger Baustein auf unserem Weg zur Klimaneutralität. Hier haben wir die Fördermittel ebenfalls massiv aufgestockt: 750 Millionen Euro stehen für thermische Sanierung und den Umstieg auf saubere Heizungen für die kommenden zwei Jahre bereit. Die Maßnahmen betreffen auch erneuerbare Heiz- und Kühlsysteme oder eine nachhaltigere Beschaffung von Baumaterialien. So gibt es beispielsweise den „Raus aus Öl“-Bonus, mit dem wir die Bürger:innen verstärkt dazu bewegen wollen, auf erneuerbare Heizsysteme umzusteigen. Aber auch im Baubereich gilt: Wir müssen unsere Förderungen, bspw. im Wohnbau, klar an ökologische Kriterien koppeln. Denn mit Anreizen erreichen wir mehr als mit Verboten.

 

Wie schätzen Sie das Potenzial der Bauwirtschaft ein, ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele zu leisten?

 

DR. BRUNNER: Das Potenzial ist enorm! Wenn wir das Thema ernst nehmen und unsere Ziele erreichen wollen, ist die Bauwirtschaft tatsächlich sogar eine Haupttreiberin und eine wichtige Partnerin. Denken wir an die bereits genannte thermische Sanierung oder unser Vorhaben, den Betrieb von Gebäuden ausschließlich mit erneuerbaren Energien zu gewährleisten. Das ist ohne die Bauwirtschaft nicht möglich. Eines ist aber klar: Mit unseren heutigen Technologien werden wir dieses ambitionierte Ziel kaum erreichen. Wir brauchen dafür Innovation und die Bereitschaft der Wirtschaft, neue, digitale Technologien zu entwickeln und diese auch umzusetzen. Die Firma Rhomberg ist bereits Vorreiterin, bspw. im Holzbau. Ich bin davon überzeugt, dass die heimische Bauwirtschaft insgesamt hier stark profitieren wird.

Fact Box

Der European Green Deal ist ein Konzept der Europäischen Kommission mit dem Ziel, bis 2050 in der Europäischen Union die Netto-Emissionen von Treibhausgasen auf null zu reduzieren und somit als erster Kontinent klimaneutral zu werden. Er umfasst eine Reihe von Maßnahmen in den Bereichen Finanzmarktregulierung, Energieversorgung, Verkehr, Handel, Industrie sowie Land- und Forstwirtschaft. Dadurch sollen in einem ersten Schritt die CO2-Emissionen der Europäischen Union bis 2030 um bis zu 55 % reduziert werden. Die Europäische Kommission stellt dazu unter anderem insgesamt 100 Milliarden Euro zur Verfügung, die die Umstellung auf eine emissionsfreie Wirtschaft unterstützen sollen.

Dr. Magnus Brunner LL.M. (* 6. Mai 1972 in Höchst, Vorarlberg) ist seit Anfang 2020 Staatssekretär im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Der ÖVP-Politiker war von 2009 bis 2020 aus dem Bundesland Vorarlberg entsandtes Mitglied des österreichischen Bundesrates. Brunner war bis zu seiner Angelobung als Staatssekretär Vorstandsvorsitzender der OeMAG Abwicklungsstelle für Ökostrom AG.

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